Experimente: ab ins Labor!

Experimente? In einem komplexen Umfeld können fast alle Aspekte einer Organisation dem Veränderungsdruck unterliegen. Wie und wo soll man nun mit der eigenen Veränderung beginnen? Soll man mit dem Umgang mit Mitarbeitern anfangen? Oder mit der Organisationsstruktur? Womöglich gleich mit der Projektarbeit? Besser doch mit der Kommunikation? Oder mit den Tools, die man verwendet?

Es ist alles möglich! Der Trick besteht darin, nicht in die Falle zu tappen, alles groß, endgültig und richtig machen zu wollen. Wenn somit kleine Schritte, kurze Lernzyklen und stetige Anpassung die Schlüsselfaktoren des Erfolgs für eine komplexitätsfähige Organisation sind, wie kann man mit ähnlichen Ansätzen die Organisation dahin transformieren? Die Antwort: Experimente.

Weg von Grundsatzdiskussionen

Jeder kennt es: ewige Diskussionen darüber, wie man Dingen machen sollte. Natürlich versuchen wir alle die bessere Entscheidung zu treffen, den besseren Weg zu finden. Aber ganz schnell fallen Sätze wie „das klappt sowieso nicht“, „so was geht bei uns gar nicht“ oder „generell ist es doch so, dass…“ und dann fangen die Glaubenskriege an.

Dies geschieht, wenn man unbewusst in das Muster fällt, bloß nichts Falsches machen zu wollen.
Menschen führen Grundsatzdiskussionen

Wir wissen aber, dass eine lernende agile Organisation von Fehlern lebt. Die Idee ist also die Tragweite der Entscheidung solange zu reduzieren, bis alle diese mittragen, auch wenn sie falsch sein sollte.

Erst machen, dann bewerten

Um selbst zu prüfen, ob eine Idee bereits als Experiment taugt, beginnt man nun sich immer wieder die folgenden Fragen zu stellen:

  • Kann man die Anzahl der Betroffenen reduzieren? Vielleicht startet man erst mit einem Team, einer Abteilung oder einem Bereich?
  • Kann man sich auf eine begrenzten Zeitraum einigen? Ein Mal? Ein Tag? Ein Projekt? Ein Monat?
  • Wie stellen wir sicher, dass das Experiment abgebrochen werden kann? Gibt es eine
  • Was können wir selbst tun, um das Experiment möglich zu machen? Liegt womöglich mehr in unserem Einflussbereich als bisher gedacht?
  • Wie holen wie alle ab? Wen brauchen wir noch?
  • Und natürlich immer: Geht’s noch etwas kleiner?

… diese Fragen geht man solange und so oft durch, bis man ein umsetzbares Experiment entwickelt hat:

Experimente immer kleiner mahlen

Ein Workshop zum Starten von Experimenten

Um Organisationen dabei zu helfen, die ersten Schritte zu machen und die üblichen Fallen zu vermeiden, bietet sich ein moderierter Workshop an, in welchem man gemeinsam die ersten Experimente entwickelt.
In dieser Übung werden mehrere „Labore“ aufgesetzt (je nach Anzahl der Teilnehmern).  Innerhalb dieser Labore werden schrittweise Experimente erarbeiten, die man gleich umsetzen kann.

Das Setup

Material:
Labor Materie für Experimente
  • Themen für die Labore (z.B. Arbeitsplatz, Produkt, Organisationsstruktur, Teamübergreifende Zusammenarbeit, Kommunikation, Tools…)
  • 1 großer Tisch pro Labor
  • ausgedruckte Experiment-Templates (hier pdf-herunterladen oder ppt-herunterladen)
  • 1 Flipchartblatt pro Labor
  • Moderationskarten (ca. 5 bis 10 pro Teilnehmer)

Hinweis:
Die Teilnehmer wählen selbst in welchem Labor sie mitarbeiten wollen (wir empfehlen Labore mit jeweils 4 bis 8 Personen)

Und so läuft es ab:

1) 10 Min: Labore aufsetzen

Im ersten Schritt werden die Laborthemen vorgestellt und ggf. von den Teilnehmern ergänzt. Die Themen werden dann auf großen Moderationskarten an unterschiedlichen Stellen im Raum platziert. Die Teilnehmer gehen zu dem Thema, an dem sie mitwirken wollen. Wurden vorher eine minimale und maximale Anzahl an Laboranten pro Labor definiert, so bleibt es dynamisch, bis eine passende Konstellation an Laboren und Laboranten gefunden hat. Dabei können, wenn notwendig, Labore auch wieder geschlossen werden, sollten Themen für die Teilnehmer nicht relevant genug sein.

Sobald die Laborteams definiert sind, wird der Rest der Übung vorgestellt und die erste Aufgabe für jedes Labor ist, sich einen Arbeitsort (Tisch) und Material (Flipchart, Karten, Stifte…) zu besorgen. Ab jetzt wird nur noch in den einzelnen Laboren gearbeitet.

2) 10 Min: Was ist mein Antrieb in diesem Labor mitwirken zu wollen

Die Teilnehmer haben jetzt 3 Minuten um ihre Antwort in einem Wort auf einer Moderationskarte zu schreiben. Danach stellen sich die Laboranten ihre Antworten vor und versuchen möglichst einen gemeinsamen Antrieb zu formulieren (das „Why“ des Labors…)

3) 10 Min: Bezogen auf das Thema eures Labors Welche Probleme gibt es in eurer Organisation, die ihr angehen wollt?

Jeder Teilnehmer schreibt pro Moderationskarte ein „Problem“ auf. Nach 3 Minuten, werden alle Probleme ans Flipchart gebracht und in einer ersten Spalte „Problems“ aufgehängt.

4) 10 Min: Bezogen auf die Probleme Was würde helfen, das Problem anzugehen?

Wieder das gleiche Vorgehen wie beim Schritt 3. Hier sollte man betonen, dass es nicht darum geht umsetzbare Lösungen zu finden, sondern einfach mögliche Handlungen zu identifizieren. Gerne breit, quer, kreativ, utopisch und wild denken!

Die Ergebnisse werden in der zweiten Spalte „Options“ aufgehängt:

Kanban Board für ExperimenteZeit für Experimente

5) 20 Min: Wie können Optionen so umgebaut werden, dass sie gleich umsetzbar sind?

Hier kommt die Experiment-Vorlage im Einsatz. Pro Labor können so viele Experimente generiert werden, wie man will. Wir empfehlen unseren Teilnehmern in Tandems zu arbeiten und dann mit dem gesamten Laborteam zu konsolidieren.

Wichtig: An der Stelle sollten die Moderatoren durch die Arbeitsgruppen regelmäßig und unterstützende Fragen stellen, wie z.B. „geht es noch kleiner?“, „kannst du damit morgen starten?“, „kann man Anhängigkeiten noch reduzieren“, usw.

6) 20 Min: Public Review

Am Ende der Übung, wird jedes Labor seine Experimente vorstellen. Wir nutzen dafür gerne das Format einer kleinen Messe: jedes Labor ist wie ein kleiner Stand und die Teilnehmer organisieren sich selbstständig, so dass jeder so viel anschauen kann wie er will und zeitgleich an jedem Labor immer jemand da ist, der die Arbeit und Ergebnisse des Labors erklären kann.

Jeder Teilnehmer hat jetzt für sich das Ziel, *das* Experiment rauszusuchen mit dem er *morgen* anfangen will.

Experimente: Unsere Praxiserfahrung

Es braucht etwas Übung und Training, sich beim Erarbeiten der ersten eigenen Experiment vom bewährten Denkmustern wie „Kann das wirklich gehen“ oder „Ist es auch das richtige“ zu lösen. Mit ein wenig Unterstützung kommt man dennoch schnell und gemeinsam in neue Verhaltensmuster. Der Begriff des Experiments hilft hierbei sehr. Schließlich können wir uns noch an eigene Laborversuche (z.B. in der Schule) erinnern. Und hier ging bestimmt einiges daneben. Es ging ja genau darum, etwas zu lernen.

Wenn es darum geht, mit einer größeren Organisation aus der Komplexitätsfalle auszubrechen, dann empfehlen wir, einen angemessen Rahmen zu schaffen, in dem das (Wieder)erlernen von Verhaltensmustern gelingt. Probiert es aus.