Im August 2018 fragte uns ein Kollege aus der Organisation ob es üblich sei, dass man in der IT viel Zeit in Projektpläne investiert für Projekte, die man dann doch nicht umsetzt. Hier die Antwort eines Komplexitäters:

Willkommen in der Komplexitätsfalle. Aus meiner Sicht, ist es das erwartbare Ergebnis der Anwendung eines klassischen Vorgehens (Meisterung von Kompliziertheit) in einer komplexen Welt. Solche Geschichten kann man ohne Ende durch alle IT Abteilungen finden. Hintergrund ist wie folgt:

Warum wollen wir Vorhaben planen? gefangen in der Komplexitätsfalle

Ein Plan gibt Sicherheit. Mit einem Plan kann ich mir erstmal Gedanken darüber machen, ob Nutzen/Kosten-Verhältnisse stimmen, bevor ich anfange große Investitionen zu tätigen. Zusätzlich kann ich mit einem Plan ein Gefühl für’s Erwartbare schaffen und damit weitere Dinge planen (z.B. Marketing-Maßnahmen oder andere Projekte, die die gleiche Ressourcen brauchen).

Wie erstellt man einen Plan?

Ganz einfach! Es braucht schlaue Leute die Ahnung vom Thema haben und alle Infos zum Vorhaben. Also welche Features soll es geben, welche Technologien sind involviert, welche Abhängigkeiten gibt es zwischen den Features, usw. Da man relativ schnell feststellt, dass nicht Alle von Allem Ahnung haben, fängt man dann an, sich zu überlegen, wer kann denn genau was machen. Ab dann optimiert man die Verteilung der Arbeit auf diese einzelne Leute. So, dass Jeder seine verfügbare Zeit optimal in dem Thema einsetzen kann. Genau da, wo er der Beste ist.

Und wenn man alles zusammen gebastelt hat, Tada! Hat man „einen Plan“.

Was macht man dann mit dem Plan?

Jetzt weiß man ziemlich genau, was es alles zu tun gibt, wer was macht und wann er/sie dies tut. So kann man theoretisch sagen, ob es sich jetzt lohnt, das Vorhaben in die Wege zu leiten. Entscheidet man es zu tun, so kann die Arbeit am Vorhaben starten.

Da viele Spezialisten für spezifische Arbeitspakete eingeplant worden sind, damit das Ganze funktioniert. Und da diese Menschen die Aufgabe haben, alle Arbeitspakete in der geplanten Zeit zu erledigen, erfordert es jemand, der sicherstellt, dass es alles so geschieht, wie man es geplant hat. Also einen guten Projektmanager, der die Koordination der Menschen sicherstellt.

Es gibt immer Risiken, die den Plan in Gefahr stellen, oder? Das klingt doch alles zu einfach!

Ja! Natürlich. Jeder hat die Erfahrung gemacht, wie die böse Realität unsere Pläne nicht berücksichtigt. Um diese Realität besser zu beherrschen und wieder ein Gefühl der Sicherheit in dieser ganzen Kompliziertheit zu gewinnen, führt man eine Risikoanalyse durch. Dabei überlegt man sich, was denn alles schlimmes passieren könnte. Zum Beispiel Ausfälle durch Krankheiten, Systemfehler, unbekannte Technologien, Inkompatibilitäten zwischen Systeme (insbesondere wenn ein Partner involviert ist), und so weiter. Wenn man diese Risiken identifiziert hat, überlegt man sich mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten könnten und welche Gegenmaßnahme es geben kann. Typisches Beispiel: Vertretungen für ausfallende Kollegen, Ausarbeitung von Dokumentation, … .

Und nun?

Jetzt hat man doch alles was man braucht: man weiß was man machen will, wie man es machen wird, wer es erledigen soll, bis wann alles zu passieren hat und hat sichergestellt, dass erwartbare Ereignisse durch B-Pläne aufgefangen werden können. Man kann los legen, supi! Alles easy, oder?

Warum dieser Sarkasmus und wo ist die Antwort auf die ursprüngliche Frage?

Na ja. Die Komplexitätsfalle schlägt gleich an zwei Stellen zu: dieses Vorgehen ist gut, um komplizierte Vorhaben zu beherrschen und es geht darum ein „Gefühl der Sicherheit zu schaffen“.

Also wo ist das Problem und wo die Komplexitätsfalle?


Weil in einer komplexen Welt, die angenommene Vorhersagbarkeit hinter diesem Vorgehen nicht mehr vorhanden ist. Die involvierte Technologien sind nicht so tief beherrscht, dass man im Vorfeld sagen kann, was mit ihnen machbar ist. Zusätzlich haben wir es oft mit Anforderungen zu tun, die nicht mal ein halbes Jahr alt sind. Und diese Anforderungen kommen eigentlich nicht wirklich von uns, sondern vom Kunden. Der Kunde entscheidet, ob er nutzen will, was wir ihm anbieten. Und was der Kunde will, weiß er oft selbst noch nicht, sondern erst, wenn er es ausprobiert hat. Und fast jedes Feature hat Abhängigkeiten zu mehreren Systemen und Arbeitsprozessen. Diese sind oft selbst nicht voll beherrscht und deren Dokumentation unvollständig oder schon veraltet (na ja, die Systeme und Prozesse ändern sich selber ständig … auch in der Zeit in welcher man die Dokumentation schreibt). Die Komplexitätsfalle lässt grüßen:

Wieder die böse Realität, die unsere tollen Pläne zum Frühstück frisst.

Was macht man dann?

Es ist ein bisschen wie im Film Matrix. Nimmst du die rote oder die blaue Pille? Es bleiben dir also zwei Möglichkeiten:

a) übliche Reaktion

Man tappt weiter in die Komplexitätsfalle und macht wieder das, was immer funktioniert hat. Nur intensiver und konsequenter:

  • noch bessere Experten holen, die mehr Ahnung haben
  • sehr defensiv schätzen, um unvorhersagbares Risiko abzudecken oder mangelnde Infos zu decken
  • mehr Zeit für die Planung investieren, damit die Beteiligten genauer verstehen, was genau ansteht
  • noch genauer berechnen welches Feature sich wirklich lohnt oder nicht
  • neue Beschäftigungsarten schaffen, die sich mit Planungsprozessen und Projektvorklärungen beschäftigen, damit die Umsetzer „mehr Zeit für die Umsetzung haben“

In Summe: einen noch besseren Plan vorbereiten! Mit einem guten Plan ist alles möglich, oder?

Ich meine: wenn der Plan richtig ist, läuft doch alles

Ja… vielleicht? Oder nicht? Was man auf jeden Fall zu 100% sagen kann: damit optimiert man sich darauf, Pläne zu erstellen und Ressourcen zu verwalten. Pläne und Verwaltung werden leider auch dadurch immer teurer und ich führe die „Planungsinvestition“ durch, bevor ich entscheiden kann, ob ich die Vorhaben umsetze.

Was hat der Kunde davon? Kauft er uns unsere Pläne ab? Verdienen wir Geld mit unseren Plänen? Ups.

b) Alternativ:

Man sucht endlich den Weg aus der Komplexitätsfalle und stellt sich selbst in Frage. Dies fängt mit der Erkenntnis an, dass weiter das Gleiche zu tun, was man bisher immer getan hat, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Die besseren Fragen wäre eher:

  • Wie kommen wir dazu, wieder den Kunde statt unsere Pläne und Prozesse im Fokus zu nehmen?
  • Ist uns das Gefühl der Sicherheit wirklich wichtiger als der Erfolg?
  • Wie können wir scheitern ohne dabei in lebensbedrohliche Gefahr zu geraten?
  • Welche Räume und Rahmenbedingungen, in welchen Menschen sich für den Erfolg der Organisation selbstständig einbringen, können wir schaffen?
  • Wie schaffen wir Engpässe ab ohne mehr Ressourcen zu kaufen (die eh selber wieder in Überlastungssituation kommen, da der Engpass per Definition immer zu 100% ausgenutzt wird)?
  • Wenn Experten nicht mehr die Lösung sind, wie können uns komplexe Themen dennoch gelingen?
  • Wie binde ich die Menschen in meiner Organisation, die alle diese Kompetenzen aufbauen?
  • Und viele, viele, viele weitere Fragen…

Welche Alternative wählst du? Vielleicht ist es Zeit, sich inspirieren zu lassen? Oder du startet einfach dein erstes Experiment: ab ins Labor!

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