Die Komplexitäter sind auf der BOE Messe 2019 eingeladen, unsere Keynote vorzutragen. Am 16. Januar um 14:00 Uhr geht es dabei im CAREER HUB um das Thema „Agil, aber zu jedem Preis?“. Wir sind im Vorfeld zu der Veranstaltung gebeten worden, an einem Interview teilzunehmen. Das machen wir natürlich gerne. Die Fragen fanden wir so spannend, dass wir sie euch nicht vorenthalten wollen:

 

Q: Diese neue Art der Arbeitsweise wurde aus der digitalen Industrie übernommen. Warum eigentlich? Was machte sie so erfolgreich?

Die digitale Industrie hat als erste Branche den Systemwechsel, von kompliziert hin zu komplex, zu spüren bekommen. Der Grund ist die Digitalisierung selbst. Ganz kurz gesagt führt sie zur Erhöhung von Vernetzungsdichte, Autonomie und Feedbackschleifen. Man kann sich das am Beispiel Internet einmal verdeutlichen: Inzwischen hat ein Großteil der Menschheit Zugang. Immer und überall. Jeder hat die Möglichkeit, spontan beliebige Inhalte in beliebiger From ins Netz zu stellen. Das Web 2.0 lässt grüßen. Und zu guter Letzt können diese Inhalte über Feedbackfunktionen wie Retweet, Like und Co. in Hochgeschwindigkeit innerhalb der Netze geteilt werden. In einem solchen System kann man schlichtweg keine verlässlichen Prognosen mehr über die Zukunft machen. Egal wie sehr man sich anstrengt. Welcome to the world of systems thinking.

Sich daraufhin anzupassen war ein evolutionärer Vorteil für Organisationen. Die, die es nicht getan haben, existieren meist nicht mehr. Agilität ist dabei nur eine mögliche Antwort auf eine komplexe Welt. Vermutlich die beste, die wir momentan kennen.

 

Q: In einigen Stichpunkten: Was zeichnet diese neue Arbeitsweise konkret aus?

Ironischerweise eine hohe Vernetzungsdichte, Autonomie und Feedbackschleifen. Es geht darum schrittweise zu verinnerlichen, dass es die EINE beste Antwort nicht mehr geben wird. Wir sehen Organisationen oft noch als kompliziertes Uhrwerk, das man gedanklich durchdringt, versteht und optimiert. Tatsächlich sind sie eher wie ein Teller Spagetti. Egal wie lange man darüber nachdenkt, man wird nicht genau vorhersagen können was passiert ,wenn man an einer Stelle zieht. Die Wechselwirkungen der Komponenten untereinander sind einfach zu groß.
Wenn man das immer mehr realisiert, erkennt man, dass der Versuch Fehlschläge zu vermeiden in komplexen Systemen zur paradoxen Situation führt, dass die möglichen Folgen des Scheiterns dadurch immer dramatischer werden. Wir versuchen durch unsere Pläne, Analysen und Risikoabwägungen für uns selbst Sicherheit zu gewinnen. Wenn dann systembedingt Planen und Analysieren nicht mehr verlässlich zum Ziel führen kann, wir indes mangels alternativer Verhaltensmuster weiter daran festhalten, dann planen und analysieren wir uns am Ende zu Tode. Maximum fail.

Alternatives Angebot: Es geht ab sofort darum, eine Kultur zu schaffen, in der Fehlschläge als Chance des Lernens verstanden werden. Dies ermöglicht es, die notwendigen Anpassungen an eine sich stetig ändernde Welt in kleine, realisierbare Schritte aufzuteilen. Die dann für sich auch schiefgehen dürfen. Nur dadurch lernen wir. Und zwar auf Basis von Informationen und Erfahrungen.

 

Q: Welchen Nutzen kann diese Arbeitsweise für die Mitarbeiter in der Event- und Messebranche haben

Die offene Antwort: Das wissen die Mitarbeiter selbst am besten. Der Nutzen wird dort am größten sein, wo in der Branche der Veränderungsdruck auf Grund der Digitalisierung bereits stark ausgeprägt ist. Als Nichtbrachenkenner kann ich mir aber dennoch einige Gedanken machen: Remote-Konferenzen, Live Feedbacksysteme über mobile Endgeräte, dezentrale Events die adhoc skalieren. Das alles gibt es ja bereits oder wir können es uns zumindest vorstellen.

Dort wo wir als Komplexitäter Veränderungsdruck sehen, gab es meist eine Verschiebung der Macht weg vom Anbieter hin zum Kunden. Es ist sicherlich sinnvoll, einmal darüber nachzudenken, an welchen Stellen dies in der Messe- und Eventbranche schon heute greifbar ist.  Die Chance besteht darin, die Veränderung aktiv mitgestalten zu können und nicht von ihr getrieben zu werden. Das zu erleben, kann dann allen gemeinsam sehr viel Spaß machen.

 

Q: Muss ein Unternehmen immer komplett auf Agilität umstellen, oder kann man Agilität auch im „Kleinen“ umsetzen?

Eine Organisation komplett umzustellen klingt nach einer einfachen Antwort in einem komplexen Umfeld. Es ist jedoch eher wieder das in komplizierten Systemen erfolgreich erlernte Verhalten: Wir überlegen uns vorher wie alles am Ende aussehen soll. In diesem Fall unsere Organisation. Und dann machen wir es. Und scheitern grandios.

Ich bin überzeugt, dass es stattdessen darum geht, den nächsten sinnvollen kleinen Schritt zu gehen, dabei mutig zu sein und etwas daraus zu lernen. Und das immer und immer wieder von neuem. Eventuell kann man dann an einem Zeitpunkt in der Zukunft sagen: „Das Unternehmen ist jetzt komplett umgestellt.“ Das ist aber nie das Ziel, sondern eine mögliche Konsequenz.

 

Q: Eine solche Transformation im Unternehmen kostet viel Zeit und Geld. Gibt es Risiken?

Ja. Viele. Ganz besonders das Risiko, dass sich tatsächlich etwas verändert. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, haben wir davor vermutlich die meiste Angst. Die Frage ist eher, können wir es riskieren uns nicht zu verändern. Hier fällt mir ein Zitat von W. Edwards Deming ein: „It is not necessary to change. Survival is not mandatory.“.

Als Gründer sind wir drei Komplexitäter grade selbst in einer spannenden und aufregenden Situation. Die Sicherheit des Angestelltenverhältnisses ist weg. Gleichzeitig ist momentan fast alles was wir tun Neuland für uns. Und an jeder dieser Stellen kann etwas schiefgehen. Tut es im übrigen auch.

Dennoch habe ich den Eindruck, dass ich momentan schneller lerne als je zuvor. Mir macht das extrem Freude und gleichzeitig fühlt es sich unsicher an. Man denkt dann schnell: „Das ist halt die Startphase. Wenn es erstmal läuft wird es wieder ruhiger und sicherer werden.“ Ich glaube genau an dieser Stelle kann man so gut wie sonst kaum zeigen, was wir mit „Learn to cope with complex“ meinen: Die gewünschte Sicherheit wird es so nicht mehr geben. Die Unsicherheit ist Teil des neuen Deals. Wenn wir uns darauf einlassen können, dann bekommen wir das tolle Gefühl geschenkt, wieder etwas zu bewirken und uns zusammen mit anderen weiter zu entwickeln. Organisationen sollten sich immer so anfühlen, wie am Tag der Gründung.

 

Q: Sie haben mit zwei Kollegen die Komplexitäter gegründet. Was sollen Unternehmen und ihre Mitarbeiter bei Ihnen lernen?

Gewohntes und antrainiertes Verhalten zu ändern ist harte Arbeit. Wir kennen es alle aus dem Privatleben. Stichwort: „Was nehmen wir uns fürs neue Jahr vor“. Den Komplexitätern geht es darum, Organisationen wirklich zu helfen. Das schaffen wir nur, indem wir zusammen mit der Organisation herausfinden, wie sie sich selbst am besten helfen kann.

 

Q: Warum sollten interessierte Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter zum BOE CAREER HUB 2019 kommen, um Ihren Vortrag zu hören?

Wir sind alle von der Digitalisierung betroffen. Im Privatleben, in der Geschäftswelt und in der Gesellschaft. Sich damit auseinanderzusetzen, was das für uns alle bedeutet, scheint mir ein guter Startpunkt zu sein. Und genau das versuchen wir mit unserem Vortrag zu schaffen: ein kleiner experimenteller Blick in eine neue Welt, voll von Alternativen.

Interview BOE 2019 Agilität triff Eventbranche