Effektive Entscheidungen in Gruppen: JUDGE

Wenn Gruppen mehr effektive Entscheidungen treffen wollen – egal ob im Kontext von ersten agilen Schritten im Team (z.B. Scrum oder Kanban) oder im Rahmen von großen, organisationsweiten Kulturwandelprogrammen – dann stehen sie schnell vor der Herausforderung der Entscheidungsfindung in Gruppen.

 

Gruppenentscheidungen im Konsent

Ein Werkzeug, das wir den Menschen gerne an die Hand, geben ist JUDGE. Natürlich ist es nicht unsere Erfindung. Die Basis ist die Idee des Gruppenkonsents (Achtung: nicht Konsens), der in der Organisationsform der Soziokratie zur Anwendung kommt.

Wir haben ihn Anfang 2018 zusammen mit anderen agilen Kollegen (unser ausdrücklicher Dank geht an dieser Stelle an André Schmitz) für uns so toolifiziert, dass wir ihn möglichst einfach erklären und anwenden können. Wie JUDGE im Prinzip funktioniert, hat Andreas schon in diesem Blogartikel beschrieben.

Eine Inspiration zum ganzen Thema Entscheidungen im agilen Kontext war dabei für uns auch dieser Vortrag von Oliver Zahrt und Armin Meyer.  Sie beschreiben die Vor- und Nachteile einzelner Vorgehen zur Entscheidungsfindung sehr anschaulich:

 

Effektive Entscheidungen in der Praxis mit großen Gruppen

Ursprünglich hatten wir Entscheidungen von Gruppen mit bis zu 15 Teilnehmern im Kopf, als wir JUDGE entwickelt haben. Zu Beginn war das auch die Gruppengröße, bei der JUDGE zum Einsatz kam. Nach ein paar Wochen standen wir dann schon vor der Herausforderung einer Gruppe mit 30 Teilnehmern. Ein paar Monate später haben wir die erste Einladung zu einer JUDGE-Entscheidung an mehr als 150 Menschen verschickt. Wie lassen sich aber effektive Entscheidungen in solch großen Gruppen treffen? Unsere Lösung dafür: JUDGE Arena

 

So laufen effektive Entscheidungen in der JUDGE Arena ab:

Was ihr braucht, ist auf jeden Fall ein ausreichend großer Raum. Idealerweise könnt ihr (ähnlich wie bei einer Fishbowl) einen Außenbereich (Zuschauertribühne) und einen Innenbereich (Arena) schaffen. Wir sperren den Außenbereich sogar mit Flatterband ab. Tische und Stühle räumt ihr weg. Im Innenbereich klebt ihr auf dem Fußboden die Positionen 0-6 der Widerstandsmessung z.B. mit Kreppband ab (siehe Fotos und Skizze). Die Teilnehmer bittet ihr, zunächst im Außenbereich zu bleiben.
Hier werden effektive Entscheidungen getroffen

 

Hinweise zum Setup der JUDGE Arena:
  • je nach Raumgröße ist es sehr hilfreich, eine Mikrofonanlage zu nutzen
  • ihr benötigt einen Beamer, um den aktuellen Lösungsvorschlag für alle sichtbar zu machen
  • ihr benötigt eine einfach zugängliche Tastatur, um den Lösungsvorschlag schnell ändern zu können

 

Und so geht’s:
  • der Entscheidungsinitiator stellt noch mal vor, was und bis wann entschieden werden soll
  • danach stellt der Entscheidungsinitator den ersten Lösungsvorschlag vor (Initale Lösung)
  • anschließend erklärt er, was passiert, wenn die Gruppe innerhalb der Zeit nicht zu einem Konsent kommt (Default Lösung)
  • der Moderator bittet alle Anwesenden jeweils auf einer Moderationskarte mit einem Wort zu notieren, was ihnen besonders wichtig bei dieser Entscheidung ist
  • er bittet alle Anwesenden sich zu überlegen, ob sie an der Entscheidung aktiv teilnehmen wollen, oder ob sie in der Zuschauerrolle bleiben
  • der Moderator bittet nun nacheinander alle Teilnehmer in die Arena und lässt sie den Begriff auf ihrer Karte vorlesen und mit einem Satz erklären
  • nun werden alle Teilnehmer aufgefordert, sich auf die Positionen 0-6 einzufinden, um ihren Widerstand gegen den aktuellen (initialen) Lösungsvorschlag deutlich zu machen
  • der Moderator bittet die Teilnehmer auf 5 (Need-to-Talk), ihre Frage zu stellen, und die Gruppe antwortet (keine Diskussion) – danach bitte der Moderator den Teilnehmer auf 5 eine andere Position einzunehmen
  • alle Teilnehmer auf 6 (Veto) werden anschließend gebeten, ihre Bedenken zu äußern
  • der Moderator bittet nun alle Teilnehmer, den Lösungsvorschlag so zu modifizieren, dass er die Bedenken der Vetos mit integriert (die Teilnehmer ändern selbst an der Tastatur den Lösungsvorschlag am Screen)
  • daraufhin werden alle Teilnehmer wieder aufgefordert, den Lösungsvorschlag neu zu bewerten (Aufstellung 0-6)
  • es geht weiter, bis ein Konsent gefunden ist (alle auf 0-4) oder die definierte Timebox endet (in diesem Fall hat sich die Gruppe für den default Vorschlag entschieden)

Auf diese Art zu effektiven Entscheidungen zu kommen, macht uns auf jeden Fall immer sehr viel Spaß. Auch für die Zuschauer ist es offenbar spannend. In einem Fall hat ein Kollege begonnen, den aktuellen Stand per Slack für’s ganze Haus live mit zu kommentieren.

Eine Video Anleitung haben für euch auch:

 

Wirkung auf die Organisation

Mit JUDGE Arena habt ihr die Möglichkeit, eine große Anzahl von Menschen aktiv mit in den Entscheidungsfindungsprozess einzubeziehen und gleichzeitig Entscheidungen mit minimaler Durchlaufzeit zu treffen.

Das hat gleich zwei riesige Vorteile:

  • Ownership: Die Teilnehmer können sich mit der Entscheidung identifizieren. Sie waren im Entstehungsprozess dabei – konnten sehen, wo es Bedenken gab – konnten gleichzeitig aktiv helfen, einen Weg für alle zu finden – sehen in der Entscheidung direkt ihre eigene Wirksamkeit – erleben Wertschätzung.
  • Sicherheit: Wenn effektive Entscheidungen schnell getroffen werden können, dann schaffen wir einen Rahmen, in dem „falsche“ Entscheidungen nicht mehr schlecht sind, sondern als Chance gesehen werden, zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Notfalls lässt sich eine Entscheidung jederzeit und schnell erneut treffen … auf Basis von neuen Daten und Erkenntnissen.

Die Anwendung des Konsetverfahrens erfordert ein wenig Übung bei allen Teilnehmern und bei den Moderatoren. Es bieten sich geführte Trainings wies dieses an, um schnell die volle Magie dieses neuen Vorgehens zu entfalten. Langfristig habt ihr dadurch die Möglichkeit, in eurer Organisation etwas Großartiges zu bewirken. Ihr verändert tatsächlich die Entscheidungskultur. Probiert es einfach aus und berichtet gerne über eurer Erfahrungen.

 

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